Diese Seite drucken
Diese Website ist optimiert für Mozilla Firefox.
|
Bruno P. Kremer: Mikroskopieren ganz einfach / Das große Kosmos-Buch der Mikroskopie Die Sehschärfe des Menschen ist nicht beeindruckend – wir sind in der Lage, gerade mal zwei eng benachbarte Punkte im Abstand von 0,2 Millimeter als getrennte Elemente wahrzunehmen. Für zahllose Sehaufgaben sind unsere Augen einfach nicht geschaffen, sei es im Bereich von Lichtjahren einerseits oder Mikrometern andererseits. In diese Dimensionen, in die Welten des Winzigsten, dringt man nur mit Hilfe spezieller optischer Präzisionsinstrumente wie Mikroskopen bzw. Teleskopen vor. Ein günstiges Komplettset aus Mikroskop, Zubehör und Dauerpräparaten zu erstehen und einfach loszulegen, ist für neugierige Naturen sehr verführerisch. Aber die Entdeckungsreise in den absolut faszinierenden Mikrokosmos erschließt sich einem doch viel intensiver und klarer mit einer guten Anleitung. Und die findet man vor allem in den Büchern des Botanikers Bruno P. Kremer, eines erfahrenen Mikroskopikers, der in leicht verständlicher Sprache in diese spannende Materie ein- und entführt. Ganz besonders lesenswert ist für Einsteiger Kremers Buch »Mikroskopieren ganz einfach«, ein Band von knapp 200 Seiten, übersichtlich gegliedert, reich illustriert und didaktisch hervorragend aufgebaut. Darin vermittelt der Biologe und Autor zahlreicher Natursachbücher viel Wissenswertes und Interessantes über das Grundlagenwissen hinaus; so lädt er beispielsweise gleich anfangs zu einem kleinen Streifzug in die Geschichte der Mikroskopie ein und erzählt, wie auf der Suche nach Erkenntnisgewinn Forscher und Pioniere die Entwicklungen auf diesem Gebiet vorantrieben, begonnen bei vergrößernden Handlupen – den »Fadenzählern«, die zur Beurteilung Webgut genutzt wurden – über »Flohgläser« bis zum Vorgänger des modernen Mikroskops. Die Begeisterung, die der Autor für die Mikroskopie hegt, wird immer wieder sehr deutlich, etwa wenn er beschreibt, wie Mikroskopieren ermöglicht, im Detail exakt hinzusehen und so den Zusammenhang von Formen und Funktionen besser zu verstehen. »Aber oft gerät die mikroskopische Bilderfahrt auch zum hinreißenden Farbrausch wie bei der Wanderung durch eine sommerbunte Landschaft«, stellt er fest: »In der Schönheit der Details zeigt sie Ästhetik pur – auf- und anregender als in vielen Bereichen des Makrokosmos«. Dem wird gewiss niemand widersprechen, der sich auf das Abenteuer Mikroskopie schon eingelassen hat. Selbst wenn das Mikroskopieren nicht als reines Freizeitvergnügen ausgeübt wird, sondern ein sehr konkretes Ziel verfolgt, ist diese Faszination immer wieder zu erleben. Wer sich etwa mit der Pflege kranker Igel beschäftigt, benötigt zur Bestimmung der am meisten verbreiteten Innenparasiten im Igelkot ein Mikroskop. Im Mikrometerbereich sind dabei nicht nur Eier und Parasitenstadien zu entdecken, sondern eine Vielzahl an Strukturen und Elementen, so dass sehr ambivalente Gefühle ausgelöst werden können: die Freude am optischen Erlebnis, das dem menschlichen Auge normalerweise verborgen bleibt, trifft auf die Sorge um das Tier, über dessen Zustand der vergrößerte Befund keinen Zweifel lässt. Bruno P. Kremer erschließt seiner Leserschaft diese geheimnisvolle Welt im Kleinsten Schritt für Schritt unter der Devise »Sehen, Begeistern, Selbermachen«. Sehr hilfreich sind für Neulinge die Kapitel, die hinterfragen, welches Zubehör denn nun wirklich nötig und sinnvoll ist und wie man am besten ganz praktisch ins Mikroskopieren einsteigt. So banal erscheinende Fragen wie die der Helligkeits- und der Schärferegelung und der Reihenfolge der Objektivwahl sind für Anfänger absolut nicht uninteressant, ebenso die Hinweise, wie man richtig durchs Okular schaut und warum man beim Arbeiten am Mikroskop manchmal mit fliegenden Flecken zu tun hat. Etwas Basiswissen aus dem Bereich der Optik macht verständlich, warum die Welt beim Blick ins Mikroskop seitenverkehrt und auf dem Kopf steht und warum die unerwünschten Luftblasen im Präparat so hässliche dunkle Ränder haben. All diese Hintergrundinformationen braucht man nicht wirklich zum Mikroskopieren, aber sie liefern Antworten auf Fragen, die vielleicht doch irgendwann auftauchen. Zug um Zug bringt der Autor den Nachwuchs-Mikroskopiker die Materie nahe, wobei seine Empfehlung, Gesehenes durch Zeichnungen zu dokumentieren zunächst ein wenig anachronistisch anmutet. Doch dieser Rat hat seinen didaktischen Hintergrund. Kremer: »Nur was man gezeichnet hat, hat man wirklich gesehen.« In 25 Kapiteln führt Kremer seine Leserschaft von außen nach innen, vom Kleinen zum Kleinsten, vom einfachen Nasspräparat bis zum Anfertigen von Schnitten und Dauerpräparaten. Er leitet sie bei der Erkundung der Welt im Wassertropfen an, macht sie mit dem Mikrokosmos der Bakterien bekannt und regt sie an, mit polarisiertem Licht zu experimentieren. Dabei sind sämtliche Informationen durch praxisnahe bebilderte Anleitungen rasch und gut nachvollziehbar. Manch eine/r wird das Buch zeitweise aus der Hand legen, um alles gleich auszuprobieren und erst dann weiterzulesen. Das schadet nicht, zumal praktische Übung das Gelesene »begreifbar« macht und sich so der Stoff besser einprägt. Ein wunderbares Grundlagen- und Praxisbuch, das seinen Platz neben dem Mikroskop verdient hat. Wer nach diesem überaus angenehmen Grundkurs im Mikroskopieren gewissermaßen ein Aufbaustudium aufnehmen möchte, der kann sich durch Bruno P. Kremers dicken Band »Das große Kosmos-Buch der Mikroskopie« durcharbeiten. Nur zu Beginn dieses 320 Seiten starken Handbuchs wird man Vertrautes wiederfinden, Dopplungen sind nahezu ausgeschlossen. Mit diesem Buch taucht man noch tiefer in die Materie ein und wird anhand vieler Beispiele animiert, in neue Erlebnisbereiche vorzudringen. So bekommt man es mit Viren, Bakterien, Pilzen zu tun, untersucht Kristalle, Einzeller, Algen und Pilze oder erforscht durchs Okular Fruchtzellen, Blattepidermen, Strukturen tierischer Herkunft und anderes mehr. Dabei vermittelt Kremer die jeweils dazu gehörenden Grundlagenkenntnisse und das notwendige Hintergrundwissen. Er geht auf Arbeitsverfahren, Methoden und wichtige Techniken ein, denn um befriedigende Ergebnisse zu erzielen, muss natürlich u.a. auch das Untersuchungsmaterial fachgerecht präpariert werden. An lohnenden Objekten – vom Wassertropfen aus dem Gartenteich über das Blatt der Zimmerpflanze bis zum eigenen Blutstropfen – dürfte es kaum mangeln, und Kremers Anregungen und Ausführungen sind dazu angetan, den Virus der Mikroskopier-Begeisterung auf den Leser zu übertragen. Ein hochwertiges Arbeitsbuch für Fortschrittene und intensive Studien! Mikroskopieren ganz einfach, 2011, 192 Seiten, ISBN 9 783440 131749 |