Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel erschien am 24. Juli 2007 in der »Stuttgarter Zeitung« zum auftakt der Sommerserie »Hauptsache in Bewegung«.
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Sportliches Schwimmen trainiert den ganzen Körper
Auf die Technik kommt es an / Wer regelmäßig schwimmt, tut Gutes für Herz, Kreislauf und Stoffwechsel
Schwimmen gehört zu den beliebtesten sportlichen Aktivitäten. Unter den Ausdauersportarten ist es der gesündeste
Sport schlechthin. Die korrekte Technik vorausgesetzt tut Schwimmen dem Körper uneingeschränkt gut.
von Maja Langsdorff
Jeden Morgen kurz vor sechs strömt eine besondere Spezies, der Homo sapiens aquaticus, in die Stuttgarter Mineralbäder
Leuze und Berg, um sich dort, den Lemmingen gleich, in die Fluten zu stürzen. Dass mancher darunter schon im siebten,
achten oder gar neunten Lebensjahrzehnt steht, beweist, Schwimmen ist an kein Alter gebunden.
Gerade wo man mit anderen Ausdauersportarten an seine Grenzen stößt, ist die Bewegung im Wasser ideal: bei Problemen
mit Gelenken, Rücken, Arthrose, Übergewicht, in der Schwangerschaft. »Der große Vorteil des Schwimmens ist,
dass der ganze Bewegungsapparat entlastet ist«, sagt Arno Schmidt-Trucksäss von der Technischen Universität
München, der als Sportmediziner die deutsche Schwimm-Nationalmannschaft betreut. Im Wasser werde man von bis zu
90 Prozent seines Gewichts befreit dank des Auftriebs, der physikalischen Eigenschaft des Wassers.
In der Horizontalen liegend bewegt man sich fast schwerelos und schont so Gelenke, Bänder, Wirbelsäule. Das
Verletzungsrisiko ist minimal: nur 1,2 Prozent der Breitensportler ziehen sich beim Schwimmen Verletzungen zu.
Im Unterschied zu anderen Sportarten trainiert sportliches Schwimmen nahezu alle Muskelgruppen, und auch ältere
Menschen mit Verschleißerscheinungen können sich im Wasser beinahe schmerzfrei bewegen. Wasser sei die beste
Medizin, behaupten sie, es helfe gegen fast alles.
Damit liegen sie gar nicht so falsch. Der Wasserdruck kurbelt den Sauerstofftransport in die Muskeln an und
verbessert die Organdurchblutung. Regelmäßiges Schwimmen senkt den Blutdruck, trainiert das
Herz-Kreislauf-System, fördert die Lungenfunktion und führt zu einem regelmäßigeren Atemrhythmus. Es
wirkt, so Schmidt-Trucksäss, günstig auf Cholesterin, Blutzucker- und Fettwerte. Dazu stärkt es das
Immunsystem und hilft, die »Linie« zu halten. Eine halbe Stunde zügigen Schwimmens verbraucht
etwa 400 Kilokalorien. Und durch den »Nachbrenn-Effekt« wird noch Stunden nach dem Training
weiter Fett verbrannt. Wer morgens nüchtern schwimmt, profitiert davon, dass die Kohlenhydratspeicher noch
leer sind und der Körper gezielt seine Fettdepots anzapft, um Energie zu gewinnen.
Schwimmen gehöre »zu den menschlichen Basis-Fortbewegungen«, betont Professor Winfried Banzer,
Leiter der Sportmedizin an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität und Gesundheitsberater
beim Deutschen Olympischen Sportbund. Doch wie das Gehen will Schwimmen erst gelernt sein. Das A und O
ist die richtige Technik. Den Kopf beim Brustschwimmen krampfhaft über Wasser zu halten, um die Frisur
zu schonen, schadet der Halswirbelsäule. Die Grätsch- oder Scherenbewegungen der Beine können
Meniskusprobleme verursachen. Und wer sitzartig im Wasser durchhängt statt ausgestreckt zu gleiten,
schwimmt unökonomisch und belastet unnötig Wirbelsäule, Schulter und Kniegelenke. Neben der korrekten
Streckung (»Gleitbootlage«) ist vor allem die richtige Atmung wichtig. Banzer: »Wenn
jemand nicht in der Lage ist, ins Wasser hin auszuatmen, hat er ein grundsätzliches Problem«,
zumindest bei Brust und Kraulen, denn beim Rückenschwimmen bleiben ja Mund und Nase über Wasser.
Je nach Konstitution und Alter bieten sich Freizeitsportlern drei Stile an: Brust, Rücken und Kraulen.
Delphinschwimmen sollte man den Profis überlassen, weil hier eine fehlerhafte Technik die unteren Wirbel
extrem belasten kann. Kraulen als schnellster Stil fordert Kraft und Ausdauer. 80 Prozent der Antriebsarbeit
leisten die Arme und werden so hervorragend trainiert. Die Beine, die von der Hüfte aus wellenförmig auf-
und abschlagen, stabilisieren hauptsächlich den Körper. Der Kopf ruht in langer Streckung im Wasser.
Zum Einatmen wird er nur mit dem Körper in rollenartiger Bewegung zur Seite gedreht, nicht aus dem Wasser
gehoben; ausgeatmet wird unter Wasser. Anatomisch optimal ist es, wechselweise rechts und links einzuatmen,
also bei jedem dritten Zug – eine Technik, die viel Übung erfordert.
Brustschwimmen ist der am meisten praktizierte Stil und die eher gemütliche Variante. Um die Halswirbelsäule
zu entlasten, sollte nach jedem Armzug mit durchgestrecktem Kopf abgetaucht und ausgeatmet werden. Da das
stärkere Hohlkreuz bei diesem Stil die Lendenwirbelsäule unter Druck setzt, empfehlen Orthopäden bei
Vorbelastungen lieber Rückenschwimmen, allerdings ebenso wie Kraulen in gestreckter Lage und mit
wechselweisem Auf-Ab-Beinschlag. Körpergerechtes Schwimmen verbietet Überstreckungen und
korkenzieherartige Verdrehungen. Gut sitzende Badekleidung ist obligat, schlappernde Boxershorts bremsen
nur aus. Wichtigstes Accessoire ist eine Schwimmbrille, um die Augen vor der Chloreinwirkung zu schützen.
Bei empfindlichen Ohren sollte man spezielle Ohrstöpsel und die Ohren hinterher nur vorsichtig trockenföhnen.
Chloriertes Wasser greift den Schutzmantel der Haut an, trocknet sie aus und macht sie empfindlich für
Pilze und Bakterien. Daher ist Eincremen nach dem Schwimmen ein Muss!
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