![]()
|
1992 wurde die erste Robodoc-Operation beim Menschen angewendet. Seither sind in Deutschland etwa 15.800 Robodoc- und Caspar-Operationen durchgeführt worden. Doch die Euphorie der Anfangsjahre ist gewichen. Von an die 70 Geräten in Deutschland sind wohl nur noch 12 in Betrieb - die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Frankfurt ist einer der (noch aktiven) Hauptanwender der Robodoc-Methode. Dass Kollege Roboter ansonsten immer seltener eingesetzt wird, hat gute Gründe. Operationen mit Robotersystemen dauern bis zu dreimal so lange wie konventionelle Operationen, es muss mehr Narkosemittel verabreicht werden, das Infektionsrisiko steigt. Die Operationswunde ist größer und der Blutverlust höher, ebenso die Komplikationsrate. Es werden häufiger Muskeln, Blutgefäße und Nerven verletzt, und die Patienten klagen öfter über Schmerzen unmittelbar nach der Operation. Niederländische Orthopäden haben kürzlich ihre Patienten vor Hüftoperationen in Deutschland gewarnt, da durch den Einsatz von Robotern irreparable Schäden an Muskeln entstünden. Abgesehen davon werden die Patienten durch das vorher notwendige Computertomogramm in Dünnschichttechnik einer sehr hohen Strahlenbelastung ausgesetzt. Und: der Roboter kann nur Rundungen fräsen, sagt der erfahrene Heidelberger Chirurg und Unfallchirurg Jochen Feil. »Man kann also nicht alle Prothesenmodelle implantieren. Die kantigen scheiden aus, und das sind oft gerade die, die eine sehr hohe biomechanische Stabilität haben«. Klagen gegen Krankenhäuser, die mit Robotern operieren, häufen sich in jüngster Vergangenheit. Der Freiburger Anwalt Jochen Grund vertritt allein 261 Mandanten mit schwer wiegenden Muskel- und Nervenschädigungen nach Hüft-OPs mit dem Roboter. Sie leiden unter starken Schmerzen und können sich nur noch hinkend oder an Krücken fortbewegen. Grund rechnet die Zahl der bundesweit geschädigten Patienten vorsichtig auf »mehr als 1000, wenn nicht 2000« hoch. In den USA laufen Klagevorbereitungen, und hierzulande recherchieren die großen Krankenkassen in ihren Unterlagen sämtliche Robodoc-Fälle, um herauszufinden, wo sie nachträglich noch Zusatzleistungen erbringen mussten, wo also Rehabilitation und Nachoperationen nötig, wo teuere Schmerzmittel verordnet wurden. Der Freiburger Anwalt geht davon aus, dass früher oder später »die Kassen diese Operationen nicht mehr finanzieren« werden. Kurt Falk, Chirurg am Robert-Bosch-Krankenhaus, das übrigens keine Operationsroboter beschäftigt, hält das, was Kritiker »Nintendo-Chirurgie« nennen, ohnehin für den falschen Ansatz. Er verweist auf das Wolffsche Gesetz, nach dem der Knochen dort Masse anbaut, wo er mechanisch - durch Muskelkraft - belastet wird, und dort abbaut, wo er nicht belastet wird. »Deshalb hängt auch die zementfreie Fixierung gar nicht so sehr an der genauen Einpassung«. Grundsätzlich kann die Prothese nämlich mit oder ohne Zement eingepasst werden. Falk sagt, der Knochen suche sich quasi Orte aus, wo Kraftspitzen eingeleitet werden, und da verstärke er sich von allein. »Das Wolffsche Gesetz umgehe ich auch mit der superexakten Einpassung nicht«. Das würde nichts anderes heißen als: Die - auch handwerkliche - Erfahrung des Chirurgen gepaart mit den Selbstheilungskräften des Patienten ersetzen den Roboter im Operationssaal. Oder wie Feil sagt: »Robodoc ist ein modifizierter Industrieroboter aus der Autoherstellung und sollte seiner Grundkonzeption entsprechend zur Bearbeitung von totem Metall und nicht an vitaler menschliche Materie eingesetzt werden.« |
|