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Operationen an der HüfteDas Hüftgelenk ist nicht nur das größte Gelenk des Menschen, es wird auch am stärksten belastet. Bei einer täglichen Gehstrecke von fünf Kilometern wird es gut zehntausendmal mit etwa 300 Kilogramm be- und entlastet, hat Honke G. Hermichen, Chefarzt im Neusser Lukaskrankenhaus ausgerechnet. Abnutzungserscheinungen kündigen sich durch Steifheit, Einschränkungen in der Beweglichkeit und Anlaufschmerzen an. Der Betroffene beginnt sich zu schonen, nimmt Zwangshaltungen ein, vermeidet Belastungen; Muskeln, Sehnen, Bänder verkürzen sich oder schrumpfen - ein Teufelskreis. Eine Operation, in der die »kaputte Hüfte« gegen eine Prothese ausgetauscht wird, dauert nur etwa 70 bis 80 Minuten und gilt als Routineeingriff - seit 45 Jahren werden nach Hermichen solche Eingriffe vorgenommen. Künstliche Gelenke (Endoprothesen) werden der Natur so nah wie möglich nachgebildet. Es gibt drei Typen von künstlichen Gelenken: solche die einzementiert werden, solche, die zementfrei eingepresst oder eingeschraubt werden, und Mischformen, in denen die Pfanne zementfrei verankert, der Prothesenschaft aber einzementiert wird. Die vor Jahren favorisierte Roboterchirurgie ist auf dem Rückzug: Nur noch 5000 bis 6000 der jährlich 170.000 Implantationen in Deutschland werden nach dieser Methode vorgenommen. Der Hersteller des europäischen Chirurgieroboters Caspar zog aus wirtschaftlichen Gründen bis Ende Juni 2001 alle 58 in deutschen, französischen und italienischen Kliniken vermieteten Roboter zurück. Caspar (Computer Assisted Surgical Planning and Robotics) und Robodoc sind Roboter zur Implantation künstlicher Hüftgelenke und arbeiten präziser als jeder noch so erfahrene Chirurg. 1992 wurde die erste Robodoc-Operation an einem Menschen durchgeführt. Der Prototyp von Robodoc wurde von einem japanischen Automobilroboter abgeleitet, während die Software in den USA entwickelt wurde. Der Arzt programmiert den Roboter nach computertomographischen Aufnahmen, und so kann die Operation bis ins Detail am Computer geplant werden. Die Nachteile sind allerdings vielfältig: Der Roboter kann nur Rundungen fräsen, weshalb die besonders bewährten rechteckigen Prothesenschäfte nicht eingesetzt werden können. Die Operationswunde ist größer, und die Operation dauert länger, wodurch das Infektionsrisiko steigt. Auch wenn die Komplikationen und Risiken bei Hüftoperationen generell sehr gering sind, ist der Eingriff doch »aus chirurgischer Sicht eine innere Amputation des Beins«, sagt der Heidelberger Chirurg Jochen Feil, der schon etwa 2000 Prothesen in Hüft- und Kniegelenke implantiert hat. So gehören Blutergüsse, Infektionen, Allergien, die Gefahr von Blutungen und Thrombosen zu den Risiken des Eingriffs. In sehr seltenen Fällen kommt es nach der Implantation zu erheblichen Verkalkungen und innerhalb weniger Wochen versteift sich das Hüftgelenk. Durch die Gabe von Medikamenten, gelegentlich zusätzlich durch eine Bestrahlung mit niedriger Dosis, lässt sich dieses Risiko minimieren. Die Zeit der Vorbereitung und Nachbehandlung fordert die aktive Mitarbeit vom Patienten. »Das Vorgespräch mit dem Patienten dauert bei mir länger als die Operation«, sagt Feil. »Nur ein informierter Patient ist auch ein kooperativer Patient«.
Im Vorfeld muss nicht nur das Technische abgeklärt, sondern auch ein individuelles Behandlungskonzept
entwickelt werden, in das Operateur, Therapeuten, Angehörige mit eingebunden sind. Zu klären ist,
in welchem sozialen und häuslichen Umfeld sich der Patient bewegt, was er für Ansprüche ans
Leben hat: Will er wieder sportlich aktiv sein oder nur Schach spielen und ab und zu mal spazieren gehen?
Es ist sehr hilfreich für eine schnelle Rehabilitation, wenn der Patient schon Wochen vor der
Operation mit krankengymnastischen Übungen seine Beweglichkeit verbessert, seine Muskulatur kräftigt
und sich mit Gehhilfen (Krücken) vertraut macht. Etwa fünf Wochen vor dem Termin beginnt die
Vorbereitung mit Eigenblutspenden. Der Blutverlust während und nach der Operation ist relativ hoch,
zwischen 500 und 1000 Milliliter, da sich die Blutung aus dem Knochen nicht stillen lässt wie eine
Blutung aus dem Gewebe. Mit Eigenblutspenden und dem von einem speziellen Gerät (Cell-Saver)
während der Operation zurückgewonnenen Blut kann der Verlust, wenn nötig, ohne das Risiko von
Unverträglichkeitsreaktionen und der Übertragung von Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder
AIDS ausgeglichen werden.
Nach einem Krankenhausaufenthalt von 10 bis 14 Tagen schließt sich eine ambulante oder stationäre
Rehabilitation an, die drei bis vier Wochen dauert. Bis die Prothese eingewachsen ist, vergehen
bis zu 16 Wochen. Kommt der Patient nach Hause, ist das nicht das Ende der Therapie. »Erst
wenn man sich muskulär, koordinativ und von der Beweglichkeit nicht mehr verbessern kann, ist
die Behandlung abgeschlossen«, sagt Jochen Feil.
Eine Frage brennt vielen Patienten mit einem künstlichen Hüftgelenk unter den Nägeln: Was, wenn
die Prothese ausgetauscht werden muss, weil sie sich gelockert hat, etwa durch Partikelabrieb
oder eine Infektion? Wechseloperationen sind heute relativ selten, die Prothesen halten auch
deutlich länger - in den achtziger Jahren machten Austauschoperationen noch 17 Prozent aller
Hüftoperationen aus. Wechseloperationen aber sind aufwendig und bei älteren Patienten wegen
des Blutverlusts und des Narkoserisikos kritisch - mehr als die Hälfte der Betroffenen sind
älter als 70 oder 80 Jahre. Zunächst wird der lockere Prothesenschaft und das ihn umgebende
Bindegewebe entfernt. Unterhalb des ursprünglichen Prothesenlagers wird zementfrei eine
Titan-Revisionsprothese mit langem Schaft in der stabilen Markhöhle implantiert. Im
geschwächten Prothesenlager kann sich so wieder Knochen neu bilden und die verlorene
Substanz ersetzt werden. Große Knochendefekte müssen mit Transplantaten aufgefüllt werden.
Das betroffene Bein darf erst nach dem stabilem Anwachsen des Knochens an die Prothese voll
belastet werden, was drei bis vier Monate dauern kann, und entsprechend länger dauert
die Rehabilitation.
(Stand 5/2001)
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