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Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel erschien am 1. Juli 2008 in der »Stuttgarter Zeitung«.

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»Mit der Maus auf der Suche nach Gesundheitstipps«

Tipp:

Wie beurteilt man die Qualität der Gesundheitsinfos aus dem Web?

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Mit der Maus auf der Suche nach Gesundheitstipps

Auf der Suche nach Qualitätskriterien für Gesundheitsinformationen aus dem Internet / Qualitätssiegel als Versuch, die Spreu vom Weizen zu trennen

In Opas Bücherschrank stand er stets griffbereit: »Der kleine Hausdoktor – Das Allernötigste zur Selbstbehandlung von Mensch und Tier«. Heute braucht man keine Medizinlexika mehr zu wälzen – Gesundheitsinfos gibt's zuhauf im Web. Doch wie findet man seriöse Angebote?

von Maja Langsdorff

Maus sucht TippsWie ein kleiner Schorf sieht der leicht erhabene Fleck aus. Beim Waldspaziergang hat sich etwas in der Kniebeuge festgebissen – Zeckenalarm, was nun? Fehlen guter Rat und Zeckenzange, greift der Internetkundige zur Maus und googelt. Wartezeiten und Praxisgebühr entfallen, und das Web ist rund um die Uhr erreichbar. Doch die Informationsflut ist überwältigend. Zum Stichwort »Zeckenbiss« wirft die Suchmaschine Google mehr als hunderttausend Treffer aus, zum Suchbegriff »Zecke« sogar fast eineinviertel Millionen. Die Spreu vom Weizen zu trennen und herauszufinden, wer online fundiert informiert, bleibt dem User selbst überlassen.

Gesundheitsportale, Selbsthilfeorganisationen, Pharmafirmen, Verlage, Kliniken, Krankenkassen, Net-Doktoren sind nur einige, die Gesundheitsinformationen ins weltweite Netz stellen.

Wie beurteilt man die Qualität der Gesundheitsinfos aus dem Web?

Ob Erste Hilfe, Erfahrungsaustausch, Vorab-, Zusatz- und Hintergrundinformationen zum Arztgespräch – wer einen Internetzugang hat, kann sich schnell, unkompliziert, anonym und kostenlos Gesundheitsinformationen aus dem Worldwide Web fischen. Es gibt Kriterien, die eindeutige Rückschlüsse auf die Qualität der Angebote zulassen, auch wenn Prüfsiegel fehlen.

Aggressive Werbesprache zum Beispiel, Heilsversprechen und Verschwörungs-Theorien sind Kennzeichen unseriöser Websites. Die Nennung der Sponsoren oder Partner lässt Rückschlüsse auf denkbare wirtschaftliche Interessen zu; unter Umständen nimmt ja der Geldgeber auf die Inhalte Einfluss. Ein Blick ins Impressum ist grundsätzlich empfehlenswert.

Seriöse Autoren legen ihre Quellen und ihre Qualifikation offen, informieren ausgewogen und unabhängig und aktualisieren ihre Informationen regelmäßig. Falls eine Website Werbung enthält, sollte diese strikt und klar gegen die informierenden Inhalte abgegrenzt sein. Hilfreich bei der Einschätzung einer Website kann auch die Recherche sein, welche Ziele der Anbieter verfolgt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät denn auch: »Glauben Sie eine Information erst, wenn Sie sie bei mindestens zwei verschiedenen Informationsanbietern gefunden haben.«

Nützliche und schädliche, unsinnige und lückenhafte Infos liegen oft nur einen Mausklick auseinander. Schon vor acht Jahren konnte man im EU-Informationsbrief Gesundheit lesen, dass 70 bis 80 Prozent der im Internet verbreiteten Informationen zu Gesundheitsfragen falsch oder veraltet sind; bei nicht wenigen Seiten schwingen klar kommerzielle Interessen mit. Im stetig wachsenden, unüberschaubaren Wust von Gesundheitsseiten sucht der medizinische Laie weiter wie nach der Stecknadel im Heuhaufen – und oft vergeblich nach Qualitätskriterien.

Es gibt unterschiedliche Ansätze, Internetnutzern einen Weg durch den Informationsdschungel im Cyberspace zu weisen und zu verlässlichen Informationen zu führen. Ein Versuch sind Gütesiegel für Seiten, die bestimmten Anforderungen genügen. Am bekanntesten ist das Logo der gemeinnützigen Schweizer Stiftung »Health on the Net« (HON), mit dem seit 1996 Anbieter ihre Website schmücken können, wenn sie die bestimmte Mindeststandards für vertrauenswürdige Gesundheitsinfos erfüllen. Der HON-Verhaltenskodex listet acht Punkte von Sachverstand bis Transparenz auf. Die Selbstverpflichtung als Basis für die Logo-Vergabe ist nur ein Schwachpunkt. Es fehlt auch, so Kritiker, an Prüfmechanismen für die geforderten Standards. Zudem lassen sich Logos kopieren und auf die eigene Site packen – wer klickt schon darauf und bemerkt die Fälschung, wenn kein Link zu Informationen über den Anbieter hinterlegt ist. Und schließlich: Prüfsiegel bürgen nicht für die inhaltliche Richtigkeit medizinischer Informationen – das gilt selbst für so ambitionierten Angebote wie das Siegel des Verbunds Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis).

Dennoch ist ein Qualitätsnachweis per Logo »besser als nix«, urteilt Professorin Marie-Luise Dierks von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie empfiehlt, bei nicht zertifizierten Seiten stets zu schauen: »Wer ist der Autor? Wie ist seine Qualifikation? Welche Interessen verfolgt er? Wann wurde die Site zuletzt aktualisiert?«, und sich »nicht allein von einer Seite inspirieren zu lassen – die Vielfalt macht es!«

Die Leiterin der Patientenuniversität arbeitet mit am deutschen Discern-Projekt), das einen anderen Weg geht und ursprünglich für die Bewertung schriftlicher Patienteninformationen entwickelt wurde. Discern bewertet auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse – evidenzbasiert – die Qualität von Online-Angeboten und erleichtert so medizinischen Laien und Patienten die Orientierung bei der virtuellen Ratsuche. Eines der Gesundheitsportale, das die Discern-Bewertung nutzt, ist die mit dem HONcode zertifizierte Patienten-Information.de des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Gute Adressen für Surfer sind auch das medizinische Infoleitsystem Medinfo und das 2006 im Beisein von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt freigeschaltete Angebot Gesundheitsinformation.de des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiK) – das allerdings im Fall von Zecken beispielweise nur weiterhilft, wenn man über Vorkenntnisse verfügt und unterm Stichwort »Borreliose« sucht.

Vorinformiert sind jedoch viele User. Denn Hauptmotive, im Internet nach medizinischen Informationen zu suchen, sind »Frustration und Unzufriedenheit über ausbleibende Behandlungserfolge und mangelnde Aufklärung durch den Arzt«, so der in Kanada lebende Cybermedizin-Experte Gunther Eysenbach. Das knappe Zeitkontingent des Arztes – im Schnitt dauert eine Konsultation siebeneinhalb Minuten – lässt besonders häufig chronisch Kranke im Internet nach einer zweiten Meinung suchen. Doch das Internet nimmt dem Arzt keinen Patienten weg, auch wenn es die traditionelle Arzt-Patienten-Beziehung beeinflusst. Gute Sites erkennt man nämlich auch daran, dass sie User immer auf die Grenzen der Online-Behandlung hinweisen und darauf, dass Onlinerecherchen nie den Gang zum Arzt und den zwischenmenschlichen Kontakt ersetzen können.

Links zum Thema:

Gesundheitsinfomation.de

Patienten-Information.de

Patientenuniversität der Medizischen Hochschule Hannover

Stiftung »Health on the Net« (HON)

Verbund Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem(afgis)

Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiK)

Eine Liste der Qualitätkennzeichnungen ist hier zu finden.

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