Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel wurde am 22.7.2003 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht
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Urplötzlich werden die Waden steinhart
Es gibt angenehmere Arten, geweckt zu werden, als von einem Wadenkrampf. Magnesiummangel und Überlastung sind die häufigsten Auslöser dieses unangenehmen Leidens.
von Maja Langsdorff
Der Schmerz kommt meist im Schlaf. Er setzt unvermittelt ein und ist heftig: 40 Prozent der Deutschen
werden regelmäßig oder gelegentlich von nächtlichen Wadenkrämpfen heimgesucht. Die Muskulatur
verspannt sich plötzlich und wird steinhart; der Krampf zieht oft bis in den Fuß. Viele ältere
Menschen leiden unter diesem qualvollen Erwachen. Doch auch Freizeitsportler, Schwangere,
Diabetiker, Menschen, die zu viel Alkohol konsumieren und Frauen jeden Alters kennen die schmerzhafte Plage.
Sobald die Temperaturen in schweißtreibende Höhen klettern, häufen sich Wadenkrämpfe. Sie können wie
ein Schluckauf als höchst unangenehmes Zipperlein urplötzlich kommen und wieder verschwinden, aber
auch Ausdruck einer Mangelerscheinung oder Warnzeichen für eine Erkrankung sein. Die an
sich harmlosen Wadenkrämpfe werden, wenn sie unerwartet am Tage eintreten, manchmal lebensgefährlich.
Beim Schwimmen im offenen Meer etwa lösen sie unter Umständen Panik aus und führen zum
Ertrinken. Beim Motorrad- und Autofahren drohen Unfälle, beim Rad- und Skifahren schwere Stürze.
Wie kommt es zu Wadenkrämpfen? Ein Krampf ist quasi eine abgebrochene Muskelaktivität. Jeder Muskel besteht
aus unzähligen Fasern, die mit feinen Nerven verbunden sind. Auf einen entsprechenden Reiz hin werden die
Muskelfasern über diese Nerven angeregt, sich anzuspannen. Normalerweise erschlaffen sie anschließend wieder.
Tritt jedoch ein unwillkürlicher Reiz auf, zieht sich ein Muskel oder eine Muskelgruppe dauerhaft zusammen
und kann sich danach nicht wieder lösen, sondern ist verkrampft. Warum dies passiert, ist nicht vollständig
erforscht.
Viele Ursachen können Wadenkrämpfen zugrunde liegen. Auslöser können Stress, Übermüdung oder Überanstrengung beim
Sport, auch eine überforderte Beinmuskulatur bei Schwangeren sein. Eine Arthrose des Kniegelenks, Durchblutungsstörungen
in den Beinen oder Nervenstörungen in den Muskelfasern können verantwortlich sein. Stoffwechselstörungen - Diabetes,
Schilddrüsen- und Nierenerkrankungen - oder die längerfristige Einnahme blutdrucksenkender, harntreibender und abführender
Medikamente können die Entstehung fördern.
Wadenkrämpfe treten regelmäßig auf, wenn der Flüssigkeits- und Mineralstoffhaushalt des Körpers aus dem Gleichgewicht
geraten ist. Mit Körperflüssigkeiten wie Schweiß und Urin verliert der Organismus auch Mineralstoffe; die Krampfbereitschaft
erhöht sich. Die häufigste Ursache für Wadenkrämpfe ist denn auch ein Mangel an Magnesium, das im Muskel für die
Erschlaffungs- und Entspannungsphase benötigt wird, die auf die Muskelanspannung folgen muss.
Magnesiummangel kann entstehen, wenn man zum Beispiel im Hochsommer, beim Leistungssport oder in den Wechseljahren stark
schwitzt, und, wie viele alte Menschen, zu wenig trinkt. Wer chronisch Alkohol missbraucht, regelmäßig Abführ- und Entwässerungsmittel
einnimmt, sich einseitig ernährt, hungert oder Diäten macht, riskiert einen Magnesiummangel und damit Muskelkrämpfe.
Menschen mit Essstörungen kennen das Problem, denn zu ihrem Krankheitsbild gehören häufig selbst herbeigeführtes Erbrechen
und - durch Abführmittelkonsum - chronischer Durchfall. Beides führt zu einem Verlust von essentiellen Mineralstoffen.
Krampft sich nun die Wade schmerzhaft zusammen, hilft nur Dehnen: die Zehen um-fassen und in Richtung Schienbein ziehen.
Herumlaufen, Wadenmassagen, sehr warme Wadenwickel oder warmes Duschen bringen zusätzlich Erleichterung. Doch Vorsicht:
ein plötzlicher heftiger Schmerz in der Wade kann auch von einer Thrombose oder einem Muskelfaserriss rühren. Ein Wadenkrampf
verschwindet normalerweise rasch wieder. Hält der Schmerz an, sollte man auf jeden Fall den Arzt aufsuchen.
Zur Vorbeugung empfehlen sich Fußgymnastik, Massagen, Wärme- und Kälteanwendungen, die Verspannungen vorbeugen sollen. Akut lässt sich der Magnesiummangel
durch Tabletten ausgleichen. Auf Dauer sollte man bei der Ernährung Naturreis, Vollkornprodukte, Haferflocken, Nüsse, Weizenkeime, Trockenfrüchte
bevorzugen, außerdem reichlich frisches Obst und Gemüse essen und magnesiumhaltiges Mineralwasser trinken. Wer sich ballaststoffreich ernährt und
ausreichend bewegt, kann in der Regel auf Abführmittel verzichten. Nikotin und Alkoholexzesse sind tabu. Treten die Wadenkrämpfe weiterhin und oft
auf, muss ein Arzt die Ursache abklären. Denn Wadenkrämpfe können ersten Alarmzeichen für Venenleiden und Adernverkalkung in den Beinen sein.
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