Zurück zur Übersicht Zurück zur Artikelliste
Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Die folgenden Artikel wurden am 18.5.1999 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht

Hauptartikel zum Thema:

Krampfadern sind mehr als ein Schönheitsfehler

Hintergrund:

Wie Venen arbeiten

Diagnose und Therapie

Service:

Literatur und Links / Adressen / Links

Krampfadern sind mehr als ein Schönheitsfehler

Jeder zweite Deutsche hat Probleme mit den Venen

Venenleiden sind eine chronische Erkrankung. Oft werden sie erst beachtet, wenn sie zum kosmetischen Problem werden oder Schmerzen bereiten. Dabei können frühzeitige Therapie und Prophylaxe helfen, gefährliche Folgen zu verhindern.

von Maja Langsdorff

Oft beginnt es damit, daß sich die Beine nach längerem Stehen oder Sitzen schwer und müde anfühlen, besonders bei warmer, schwüler Witterung. Möglicherweise schwellen die Beine an den Knöcheln an, die Haut juckt, oder es kribbelt in den Beinen. All diese Symptome können darauf hindeuten, dass sich eine gefährliche Venenerkrankung entwickelt.

Häufig werden jedoch die ersten Anzeichen nicht ernst genommen und ignoriert. Selbst wenn bereits eine Krampfader sichtbar ist, glauben viele Patienten und manche Ärzte noch: »So lange es nicht weh tut, ist das doch nur ein kosmetisches Problem.« Doch das kann ein folgenschwerer Trugschluß sein. Fließt das Blut in den Venen zu langsam, kommt es zum Stau, und Wasser kann sich im umliegenden Gewebe sammeln. Die Folgen können Entzündungen, Verstopfungen der Blutbahnen (Thrombosen) oder offene Beine sein - zwei Millionen Menschen leiden allein in Deutschland darunter. Im schlimmsten Fall droht ein Gefäßverschluss in der Lunge (Lungenembolie), und das ist lebensgefährlich.

Venenleiden wie Krampfadern sind weit verbreitet, und sie sind weder ein reines Frauenproblem, noch ein Problem, mit dem vorwiegend ältere Menschen konfrontiert sind. Zwar werden bei jedem zweiten Menschen im Erwachsenenalter krankhafte Veränderungen der Beinvenen diagnostiziert, doch ist auch bei einem von vier Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren eine Venenschwäche nachweisbar. 24 Prozent der Wehrpflichtigen haben bereits Krampfadern. 9 bis 13 Millionen Deutsche sind wegen Venenleiden in ärztlicher Behandlung. Die »Volkskrankheit Venenleiden« hat, nebenbei bemerkt, auch spürbare volkswirtschaftliche Folgen: Die Behandlung von Venenleiden kostet die Krankenkassen sieben Milliarden Mark im Jahr.

Auch wenn Bewegungsarmut, langes Stehen und Sitzen zu den modernen Risikofaktoren zählen, liegt das Hauptrisiko doch in der erblichen Vorbelastung. Übergewicht und Schwangerschaften begünstigen die Entstehung von Venenproblemen wie Krampfadern. Frauen, die Hormonpräparate wie die »Pille« einnehmen, haben nach Angaben der Karlsbader Akademie für Gefäßkrankheiten ein siebenmal höheres Risiko, eine Thrombose zu erleiden; rauchen sie außerdem, steigt das Risiko weiter. Weniger bekannt ist, dass auch Kraftsport problematisch sein kann. Das gilt zum Beispiel für Bandscheibenpatienten mit einer Venen- und Bindegewebsschwäche. Oft wird ihnen zur Muskelkräftigung Gerätetraining verordnet. Bei ihnen besteht wegen der Bindegewebsschwäche die Gefahr, dass sich durch die intensiven Kraftübungen Krampfadern in den Beinen bilden.

Bindegewebsschwäche und Venenschwäche gehen Hand in Hand. Ein unübersehbarer Hinweis auf eine Venenschwäche sind die sogenannten »Besenreiser«, sehr kleine rötliche oder blauviolette »Äderchen«, die direkt in der Haut liegen. Diese erweiterten Venen sind an sich nur ein erstes Warnsignal, gelegentlich auch ein kosmetisches Problem, wenn sie als »Couperose« im Gesicht auftreten. Sie können, müssen aber nicht behandelt werden. Beschwerden bereiten sie keine - was übrigens auch auf 30 Prozent der Krampfadern zutrifft.

Dennoch sollten Menschen, in deren Familien schon Venenleiden aufgetreten sind und die Anzeichen für eine Venenschwäche an sich beobachten, nicht warten, bis sie die erste Krampfader entdecken oder bis die Beine schmerzen und schwellen. Eine vorbeugende Untersuchung des Venensystems mit Ultraschall ist ungefährlich und schmerzlos. Untersuchungen, in denen Kontrastmittel gespritzt werden und die mit Röntgentechnik arbeiten, sind nur in sehr speziellen Fällen nötig.

Behandlung bedeutet nicht zwingend Operation. Große Krampfadern mit erhöhtem Innendruck der Venen müssen operativ entfernt werden; in leichteren Fällen helfen aber auch Medikamente, Salben, Verbände, Kompressionsstrümpfe oder eine speziell entwickelte Einlegesohle, die Beschwerden zu lindern. Das Krampfaderleiden beseitigen sie nicht. Prophylaxe bei schwachen Venen - und auch Nachsorge - setzt immer an zwei Punkten an: Zum einen gilt es, die Risikofaktoren einzudämmen, zum anderen, den Rückfluss des schlackenreichen Blutes zum Herzen zu verbessern.

Übergewicht, langes Sitzen und Stehen sind Gift für die Venen, ebenso große Wärme durch heiße Bäder oder Sauna und Sportarten mit abrupten Stoppmanövern und hoher Verletzungsgefahr, also Tennis, Squash und Fußball. Ideal dagegen ist neben einer gezielten Gymnastik Ausdauersport wie Laufen, Wandern, Walken, Tanzen und Radfahren, denn das stärkt die Wadenmuskulatur. Klassische Kneippanwendungen, also kalte, aufsteigende Beingüsse, sind günstig, ebenso Wassertreten und Schwimmen, wobei das Wasser kühler als 30 Grad sein sollte.

Ob das Tragen von Stütz- oder Kompressionsstrümpfen sinnvoll ist, kann nur der Arzt im Einzelfall entscheiden. Wenn nämlich Durchblutungsstörungen, bestimmte Erkrankungen der Muskeln oder des Nervensystems vorliegen, kann ein solcher Strumpf auf Dauer Schaden anrichten.

Erfolgreich verläuft eine Behandlung jedoch nur, wenn der Patient aktiv mitarbeitet - ein heikler Punkt. Venenärzte wissen zu genau, dass viele Patienten überfordert sind, wenn sie abnehmen und Sport treiben sollen. Sie wünschen sich Salben und Pillen, die sie schnell und bequem wieder gesund machen. Um den Patienten entgegenzukommen, hat Seiter ein passives Hilfsmittel ersonnen: eine Schuheinlegesohle, die auf das Venennetz in der Fußsohle einwirkt, es schneller auspresst und damit die Geschwindigkeit erhöht, mit der das venöse Blut im Bein zurückfließt. Dadurch werden die Venen entlastet. Allerdings nur, wenn man seine Füße auch tatsächlich benutzt.

Literatur zum Thema:

»Venengesundes Leben«, kostenlos zu beziehen über die Initiative Venengesundheit, Berliner Straße 40, 60311 Frankfurt/Main, Telefon 069/284383, Fax 069/284384.
Hans Seiter: »Venenbeschwerden erfolgreich behandeln«, Verlag Moderne Industrie, Landsberg/Lech, 1999, 16,80 Mark.
Nikolaus Linde/Claudio Duff: »Natürliche Hilfe bei Durchblutungsstörungen«, Midena Verlag, Augsburg, 1999, 19,90 Mark.
Peter Salzmann: »Venenleiden vorbeugen und behandeln«, Trias, Stuttgart, 1997, 19,80 Mark.

Adressen:

Akademie für Gefäßkrankheiten e.V / Deutsche Liga für Gefäßerkrankungen e.V., Klinikum Karlsbad, Guttmannstraße 1, 76307 Karlsbad, Telefon 07202/613511.
Venen-Forum Stuttgart e.V., Wilhelmsplatz 11, 70182 Stuttgart, Telefon 0711/21012-0, Fax 0711/2101240.

Link zum Thema:

http://home.t-online.de/home/chirurg.oe/pgalle_.htm

Wie Venen arbeiten

Probleme mit den Venen hat jeder zweite Mitteleuropäer. Wie kommt es zu solchen Störungen im Versorgungssystem des Organismus? Im menschlichen Körper gibt es drei Gefäßsysteme mit unterschiedlichen Aufgaben: Arterien, Venen und Lymphgefäße. Während die Arterien sauerstoffreiches Blut vom Herzen zu den verschiedenen Organen wie Leber, Niere, Darm, Muskeln und Haut pumpen, befördern die Venen das »verbrauchte« sauerstoffarme und schlackenreiche Blut zum Herzen zurück. Die Lymphgefäße transportieren eiweiß- und schlackenreiche Flüssigkeit aus dem Gewebe ab, wobei die Lymphknoten als »Filterstation« fungieren und die Gewebsflüssigkeit in das Venensystem leiten.

Venenleiden wie Krampfadern sind hauptsächlich Beinleiden, denn die Beinvenen müssen das Blut gegen die Schwerkraft zum Herzen transportieren. Um zu verhindern, dass das Blut nicht nach unten zurückfließt, haben die Venen im Abstand von wenigen Zentimetern Klappen. Unterstützt wird der Rücktransport des verbrauchten Blutes durch die sogenannte »Muskelpumpe«. Belastet man die Wadenmuskulatur, wird von außen Druck auf die Venen ausgeübt, sie werden geleert, und das fördert den Rückfluss zum Herzen.

Sind die Venenwände geschädigt oder funktionieren die Venenklappen nicht mehr einwandfrei, dann wird nur ein Teil des Blutes zurücktransportiert, der Rest sackt ab. Dadurch entstehen unter der Haut erweiterte, geschlängelte Venen, in denen sich das Blut staut: die Krampfadern. Weil hier das Blut zu langsam fließt, können sich Blutgerinnsel bilden, die sich manchmal in der Krampfader schmerzhaft entzünden.

Verstopft ein Gerinnsel eine tiefgelegene Beinvene, spricht man von einer Thrombose. Venenleiden, die nicht rechtzeitig behandelt werden, können zu Unterschenkelgeschwüren, also offenen Beinen führen. Die Haut in der Knöchelregion ist so stark geschädigt, das sie aufgeht.

Unter Umständen kann sich ein Blutgerinnsel von der Venenwand loslösen und wird mit dem Blut fortgeschwemmt. Über die großen Venen gelangt es zum Herzen und zu den Lungenarterien, wo es steckenbleiben und eine lebensbedrohliche Verstopfung, die Lungenembolie, auslösen kann.

Diagnose und Therapie

Welche Therapie bei Venenleiden die geeignete ist, kann nur ein Spezialist für Venenheilkunde (Phlebologe) ermitteln. Für die Diagnose benutzt er Geräte, die mit Ultraschall arbeiten und schmerzfreie Untersuchungen ermöglichen. Mit der Dopplersonographie misst er die Strömungsverhältnisse des arteriellen und venösen Blutes; mit Hilfe der Farbduplexsonographie erkennt er zusätzlich strukturelle Änderungen an den Gefäßwänden, am umgebenden Gewebe und an den Venenklappen. Ähnlich einer Blutdruckmessung funktioniert die Venenverschluss-Plethysmographie. Mit einer Manschette am Oberschenkel wird gemessen, wie gut das Blut im tiefen Beinvenensystem zurückfließt. Ob die Venenklappen noch richtig arbeiten, lässt sich mit photooptischen Meßverfahren prüfen.

In 95 Prozent aller Fälle liefern diese Verfahren eine verlässliche und komplette Diagnose, und es sind keine so genannte »invasive« Verfahren wie die Phlebographie nötig, bei denen Kontrastmittel gespritzt und geröntgt wird.

Die Therapie basiert auf zwei Prinzipien: zum einen, den venösen Rückfluss zum Herzen zu verbessern - durch Kompressionsbehandlung mit Strümpfen oder Verbänden und Einlegesohle. Wenn das nicht ausreicht, müssen zusätzlich Venen, die nicht funktionsfähig sind, entfernt werden.

Dies geschieht heute in der Regel durch minimalinvasive mikrochirurgische Operationsverfahren. Dabei werden die Krampfadern ohne Schnitte mit mikrochirurgischen Instrumenten über nur ein bis zwei Millimeter lange Einstiche entfernt. Da diese Einstichstellen nicht vernäht werden müssen, verheilen die Wunden schnell und ohne Narbenbildung. Geschädigte Stammvenen werden über kleine Hautschnitte in der Leiste oder oberhalb der Kniekehle entfernt. Als nicht mehr zeitgemäß gelten so genannte »radikale« Operationsverfahren, bei denen sämtliche oberflächlichen Stammvenen ungeachtet ihrer Funktionsfähigkeit entfernt werden.

Die früher übliche Verödungsbehandlung ist von diesen mikrochirurgischen Operationstechniken immer mehr verdrängt worden. Sie wird heute nur noch bei der Behandlung der kleinen Besenreiser angewandt.

Zum Anfang der Seite