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Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Die folgenden Artikel wurden am 12.03.2002 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht

Hauptartikel zum Thema:

»Mit Plastikkügelchen gegen Tumoren«

Hintergrund:

»Behandlung: Hormone, OP oder Aushungern?«

Service:

Literatur / Adressen / Links

Mit Plastikkügelchen gegen Tumoren

Mit dem neuen Verfahren der Embolisation werden Myome ausgehungert, und die Gebärmutter bleibt erhalten

Häufig treten die Beschwerden jenseits der Dreißig, Anfang Vierzig auf: Die Regel wird ungewöhnlich stark und schmerzhaft. Ursache können Myome sein - fünf Prozent aller Frauen sind davon geplagt. Manchen kann mit einem neuen, sanften Verfahren geholfen werden, bei dem die Wucherungen der Gebärmutter »ausgehungert« werden.

von Maja Langsdorff

Die Patientin war Vierzig, als sie in der Berliner Charité vorsprach. Ihre Menstruation war inzwischen extrem schmerzhaft und zwang sie dazu, ihre Termine so zu planen, dass sie nicht mit der Periode zusammen fielen. Durch die starken Regelblutungen war sie blutarm geworden und nicht mehr belastbar. Schuld daran waren zwei Myome - gutartige Tumoren in der Gebärmutter. Eine Hormontherapie und zwei Versuche, die Myome chirurgisch entfernen zu lassen, hatte sie sich schon hinter sich, als sie im Oktober 2000 als erste Patientin in Deutschland von Thomas J. Kröncke am Institut für Radiologie der Charité mit der hierzulande neuen Methode der Embolisation behandelt wurde. Die Myome waren ein halbes Jahr später nur noch halb so groß, die Frau hatte keine Schmerzen mehr während der Periode, und die Blutarmut war behoben.

Embolisation leitet sich vom griechischen Wort émbolos (»das Hineingeschobene«) ab und beschreibt ein medizinisches Verfahren, bei dem gezielt und kontrolliert Gefäße verstopft werden, um die Versorgung von Wucherungen zu unterbinden und sie damit zum Schrumpfen zu bringen. In Deutschland gibt erst acht bis zehn Stellen, die embolisieren; die Krankenkassen stufen die Methode zum Teil noch als »experimentell« ein, sagt Dierk Vorwerck, Radiologe im Klinikum Ingolstadt, der seit einem dreiviertel Jahr dieses Verfahren einsetzt und seither 30 Patientinnen behandelt hat. 1990 in Frankreich entwickelt, wurde die Embolisation weltweit schon 15.000mal angewandt, in Frankreich, England und den USA seit bis zu sieben Jahren.

Für viele Frauen verbindet sich mit Berichten über diese neue und »sanfte« Methode die große Hoffnung, endlich auf undramatische Weise von ihren Beschwerden befreit zu werden. In Europa wird jede vierte bis fünfte Frau im gebärfähigen Alter von solchen gutartigen Knoten der Gebärmutter befallen; in Afrika sogar die Hälfte aller Frauen. Doch nicht jedes Myom bereitet Schmerzen: nur zwanzig Prozent der Betroffenen entwickeln Symptome. Ob Beschwerden auftreten, hängt von Lage, Art und Größe der Wucherungen ab. Sie können auf Nerven und benachbarte Organe drücken, was dann etwa zu Rückenschmerzen oder zu Blasenschwäche führt. Myome können nicht nur sehr heftige Monatsblutungen auslösen, sondern auch für Unfruchtbarkeit verantwortlich sein.

Myome müssen nur dann behandelt werden, wenn »sie symptomatisch sind, also in erster Linie starke Blutungen, in zweiter Linie Verdrängungsphänomene auftreten«, erklärt Dierk Vorwerck. Sie sind ein Problem der fruchtbaren Jahre der Frau. Nach den Wechseljahren schrumpfen die Tumoren von allein, weil der Körper weniger weiblicher Hormone (Östrogene) produziert.

Embolisation

Behandeln von Myomen hieß bisher immer Hormontherapie, operativer Eingriff oder gar Entfernung der ganzen Gebärmutter. Bei der Embolisation bleibt die Gebärmutter erhalten. Man nutzt man die Tatsache, dass Myome in ihrem Wachstum von der Blutzufuhr abhängig sind und blockiert die zuführenden Gefäße mit winzigen Kunststoffkügelchen.Die Operation erfolgt unter örtlicher Betäubung und dauert etwa eine Stunde. Die Arzt führt durch einen Schnitt in der Leistengegend einen dünnen Katheter in die Gebärmutterarterie ein bis zu der Stelle, wo die Schlagader Äste abgibt, die das Myom versorgen. Er injiziert langsam in die kleinen Gefäße Partikelchen, die sich festsetzen und die Blutzufuhr blockieren, so dass das Myom nicht mehr ausreichend ernährt wird und »ausgehungert« wird. Nach der Behandlung haben die Frauen nicht etwa totes Gewebe im Körper. Vorwerck: »In der Regel ist es so, dass das Myom schrumpft, die Gefäße auf ein Maximum gedrosselt werden, aber immer noch eine Minimaldurchblutung vorhanden ist«.

(Grafiken mit freundlicher Genehmigung von James B.Spies M.D., Georgetown University Medical Center, Interventional Radiology, Washington, D.C., USA)

Die Myome schnurren auf ein Viertel ihres Volumens zusammen; ihr Durchmesser geht auf die Hälfte zurück. Die Kügelchen bleiben dauerhaft in den Gefäßen; sie stellen kein Risiko dar, denn sie werden vom Körper eingekapselt.

In Frage kommt die Embolisation allerdings nur, wenn ein einzelnes Myom höchstens einen Durchmesser von zehn Zentimetern hat oder - bei mehreren Myomen - die Gebärmutter maximal 20 Zentimeter lang ist wie in der 18. Schwangerschaftswoche; normalerweise misst sie nur acht Zentimeter. Sind die Myome bzw. die Gebärmutter größer, besteht die Gefahr von Entzündungen, weil der Körper das Gewebe nicht schnell genug abbauen kann. Auch Myome, die an einem Stiel auf der Gebärmutter aufsitzen, können nicht embolisiert werden, da sie durch die Versorgungsblockade abfallen und im Bauchraum verbleiben könnten.

Aus zwei Gründen raten Radiologen Frauen von der Embolisation ab, die noch Kinder haben möchten. Zum einen können theoretisch Kügelchen auch »stromaufwärts« abgeschwemmt werden in Richtung Eierstock und dadurch zur Unfruchtbarkeit führen. Ein zweiter Grund ist die Strahlenbelastung. Nachteil des Verfahrens ist, dass der Eingriff unter Röntgenkontrolle stattfindet. Die Kügelchen werden mit Kontrastmittel gemischt, damit unter Durchleuchtung kontrolliert werden kann, wie sie fließen. Das Becken wird etwa fünf bis sechs Minuten durchleuchtet.

Nach Vorwerck entspricht die Strahlenbelastung einer Computertomographie-Untersuchung des Beckens. Obwohl man eine niedrige Dosis und kurze Durchleuchtungszeiten wähle, sei die Rate mit im Durchschnitt »etwa 0,15 Rad« (1,5 Milligray) »trotzdem noch relativ hoch«. Auch wenn Radiologen nicht glauben, das Risiko sei erhöht, später Nachwuchs mit genetischen Schäden zu bekommen, sprechen sie sich bei Frauen mit Kinderwunsch in der Regel gegen diese Methode aus. Untersuchungen zur Wahrscheinlichkeit, durch die Strahlen später an Gebärmutter- oder Eierstockkrebs zu erkranken stehen aus; Vorwerck mutmaßt, das Risiko liege »im Promill-Bereich«.

Wichtig ist im Anschluss an eine Embolisation die Schmerztherapie. Gynäkologe, Radiologe und Anästhesist müssen hier intensiv zusammenarbeiten, um der Patientin Schmerzen zu ersparen. Leichte Bauchschmerzen können bis zu einer Woche anhalten. Die Embolisation wird in der Literatur als »schonend« beschrieben, ist aber keine schnelle Methode, sagt Vorwerck: »Anders als bei einer Operation stellt sich der Effekt nach einer gewissen Zeit ein, man muss nach der Behandlung ein bisschen Geduld haben.«

Literaturempfehlungen zum Thema:

zu Myomen (keine Beschreibung der Embolisation):
Dorothee Struck, Marion Billker, Christine Tsolodimos: »Wirksame Hilfe bei Myomen«, Thieme Verlag Stuttgart 2000.

Adressen:

Universitätsklinikum Charité Berlin, Dr. Thomas J. Kröncke, Info-Telefon Myom-Ebolisation: 030/450-527328
Universitätsklinik Frankfurt, Dr. Stephan Zangos, Tel. 069/63 01-72 77
Universitätsklinik Heidelberg, Prof. Dr. Götz Richter, Tel. 06221/56 64 31
Klinikum Ingolstadt, Prof. Dr. Dierk Vorwerck, Tel. 0841/88 02 800
Diakonissenkrankenhaus Karlsruhe, Prof. Dr. Ernst-Peter Strecker, Tel. 0721/889-22 46

Interessante Links zum Thema:

http://www.myomembolisation.de/
http://www.charite.de/radiologie/Patienten/Krankheiten/Uterusmyom/Info-Uterusmyom.pdf
http://www.diak.de/abteilungen/radiologie

Hormone, OP oder Aushungern?Myomarten

Myome sind gutartige Wucherungen aus glatten Muskelfasern, die fast nie zu Krebs entarten. Sie können an verschiedenen Stellen der Gebärmutter entsteht und werden nach ihrer Lage in drei Arten unterteilt. Entweder können die Tumoren direkt unter der Schleimhaut, die die Gebärmutter auskleidet, nach innen wachsen (submukös), oder mitten im Muskel (intramural), oder außen auf der Oberfläche der Gebärmutter (subersös) liegen. Außerdem gibt es Sonderformen, die an einem Stiel wachsen.

Myome können einzeln oder zu mehreren vorkommen und sind die häufigsten Tumoren der Gebärmutter. Eine Gebärmutter mit mehreren Myomen kann bis zu 400 Gramm (Normalgewicht bis 80 Gramm) wiegen. Weil die Organe im Bauchraum verschiebbar sind, haben auch viele Frauen mit deutlich durch die Myome vergrößerter Gebärmutter keine Beschwerden. Und nur wenn Beschwerden auftreten, müssen die Wucherungen auch behandelt werden. Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, von der Hormonbehandlung bis zur Operation, je nach individuellen Gegebenheiten, Lage und Größe des Myoms.

Das Wachstum der Muskelknoten wird durch Östrogene gefördert. Bei der Hormontherapie werden Frauen Gestagene - die natürlichen Gegenspieler der Östrogene - verordnet oder mit einer Hormonspirale implantiert bzw. sie werden künstlich vorübergehend in die Zeit der Wechseljahre versetzt. Die Erfolgsquote ist nach Angaben des Ingolstädter Radiologen Dierk Vorwerck »mäßig«. Eine gebärmuttererhaltende Alternative sind operative Eingriffe, etwa das Ausschaben, das Veröden oder »Verkochen« der Gebärmutterschleimhaut, das Entfernen der Myome über eine Bauchhöhlen-, Gebärmutterspiegelung oder einen kleinen Bauchschnitt.

Bei Frauen über 40 Jahren, die keine Kinder (mehr) wollen, ist die Entfernung der Gebärmutter (Hysterektomie) »immer noch die am häufigsten angewendete Therapie«, schreiben Dorothee Struck, Marion Billker und Christiane Tsolodimos, Autoren eines Ratgebers zum Thema. Spezialisten wie der Innsbrucker Radiologe Peter Waldenberger gehen davon aus, dass zukünftig »rund 25 Prozent aller Hysterektomien durch eine Embolisation ersetzt werden können«.

Das für die Myombehandlung neue Verfahren der Embolisation wird bei starken Blutungen nach Geburten schon seit Jahren praktiziert. In Deutschland wird die Methode unter anderem an der Charité Berlin, im Klinikum Ingolstadt, an den Unikliniken Frankfurt/Main und Heidelberg und am Diakonissen-Krankenhaus Karlsruhe angewendet. Zuständig sind die radiologischen Abteilungen; die Einweisung muss durch einen Gynäkologen erfolgen.

(Stand 3/2002)

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