Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel wurde am 26.10.1999 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht
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Wenn schon eine Umarmung Schmerzen bereitet
Frauen leiden häufig unter Beschwerden in den Brüsten / Bewusstere Ernährung kann Symptome
günstig beeinflussen
Ein Spannen oder Schmerzen in den Brüsten vor der Periode kennen die meisten Frauen. Einzelne können
dem sogar etwas Positives abgewinnen: Sie wissen auch ohne Blick in den Kalender, die Regel kündigt
sich an. Der »Spaß« hört allerdings auf, wenn diese Beschwerden ausgeprägt sind oder nach der
Menstruation nicht rasch nachlassen.
von Maja Langsdorff
Zahllose Frauen sind mehr oder weniger stark beeinträchtigt durch eine solche schmerzhafte Schwellung
der Brust, die sogenannte Mastopathie. Wie viele es genau sind, lässt sich nur schwer abschätzen, da
der Übergang von normalen, hormonell bedingten Beschwerden zu krankhaften Veränderungen mit starken
Schmerzen fließend ist. Bis zu fünfzig Prozent aller Frauen zwischen 35 und 55 Jahren, so schätzen
Experten, leiden an Mastopathie. Ursache dieser meist gutartigen, aber unangenehmen Erkrankung ist
ein Überschuss des weiblichen Sexualhormons Östrogen, das unter anderem Wasser im Körper bindet.
Schuld an den typischen Spannungsgefühlen und der zum Teil extremen Berührungsempfindlichkeit ist
nämlich die Wassereinlagerung im Bindegewebe der Brust.
Nicht jede Mastopathie ist gleich stark ausgeprägt. Bei den leichten Formen treten die Beschwerden meist
nur vor der Monatsblutung auf; das Gewebe der Brust ist kaum verändert. In den meisten Fällen jedoch -
bei 70 bis 80 Prozent aller Mastopathien - ist das Bindegewebe verändert und sehr dicht. In ihm
befinden sich winzige, nur stecknadelkopfgroßen Hohlräume, Zysten, die unter dem Einfluss des
Östrogens dazu neigen, sich zu vergrößern und Wasser einzulagern. Diese fibrös-zystische Mastopathie
beginnt »typischerweise ab dem 30. Lebensjahr und verstärkt sich mit zunehmendem Lebensalter«,
erklärt Bernd Kleine-Gunk, Chefarzt der Gynäkologie an der EuromedClinic in Fürth. Erst nach den
Wechseljahren, wenn der Hormoneinfluss wegfällt, klingen die Beschwerden allmählich ab, im allgemeinen
ein Jahr nach der letzten Regelblutung.
Bei Frauen mit einer fibrös-zystischen Mastopathie ist das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, nicht
höher als bei Frauen mit normaler Brust. In fünf bis zehn Prozent aller Mastopathiefälle jedoch treten
starke Gewebewucherungen und atypische Zellmuster auf, also Veränderungen oder Atypien, die man, so
Kleine-Gunk, »als Vorstufen von Krebs bezeichnen kann«. Bei dieser seltenen Krankheitsform,
der proliferativen oder komplizierten Mastopathie, ist die Gefahr des Übergangs in Krebs nicht nur
möglich, sondern relativ wahrscheinlich. »Jede zehnte Frau muss ohnehin mit Brustkrebs rechnen«,
sagt Kleine-Gunk, »bei der komplizierten Mastopathie ist das Risiko, an Krebs zu erkranken, um
das Drei- bis Vierfache erhöht«.
Auch ohne das erhöhte Brustkrebsrisiko kann eine Mastopathie die Lebensqualität einer Frau sehr
beeinträchtigen: Manche wacht nachts auf, weil sie nicht weiß, wie sie liegen soll. Phasenweise,
besonders kurz vor der Periode, wenn die Beschwerden am größten sind, wird jede Erschütterung der
Brust als schmerzhaft empfunden - etwa die Fahrt im schlecht gefederten Bus oder das ganz normale
Laufen. Manche Frauen stöhnen bei einer spontanen Umarmung vor Schmerzen auf, und sie verbinden
schon das Streicheln der Brust mit unangenehmen Gefühlen. Sport wie Joggen oder Aerobic wird diesen
Frauen an den Tagen vor den Tagen regelrecht verleitet. Dabei könnte sich gerade sportliche
Betätigung günstig auswirken. »Wenn man intensiv Sport treibt, sinken die biologisch aktiven
Östrogene im Körper ab«, erklärt Kleine-Gunk. Abhilfe kann in diesem Fall ein stark stützender
Büstenhalter schaffen.
Auch wenn sich in den seltensten Fällen aus einer Mastopathie Krebs entwickelt, ist die regelmäßige
Selbstuntersuchung der Brust besonders wichtig. Achtzig Prozent aller Brustkrebse werden von den
Frauen selbst ertastet. Doch beim dichten Gewebe der mastopathischen Brust ist es nicht ganz einfach,
das Ertastete richtig zu interpretieren, denn die Brust fühlt sich für Ungeübte immer knotig an. Ein
Vergleich zwischen rechter und linker Brust ist meist weniger aufschlussreich als eine Kontrolle vor
und nach der Regel. »Alles was vor der Periode vorhanden war und hinterher nicht mehr, ist nicht
krebsverdächtig«, sagt Kleine-Gunk. Viele Frauen tasten auch aus Angst, etwas zu entdecken, ihre
Brüste nicht ab. Der Gynäkologe ermutigt sie, man bekomme »mit der Zeit ein gewisses Gewebegefühl
und erkennt, was normale Mastopathie ist, und was nicht«.
Zweimal im Jahr sollten sich die betreffenden Frauen außerdem vom Frauenarzt untersuchen lassen. Je
nach Befund wird er eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) vornehmen oder die Patientin zur
Mammographie schicken. Behandelt werden kann eine Mastopathie immer nur symptomatisch, denn die
Gewebeveränderung bleibt ja bestehen. Hierbei ist es das Ziel, den Östrogeneinfluss auf die Brustdrüse
zu dämpfen, der die Wassereinlagerung und damit die Beschwerden auslöst. Medikamentös ist das
beispielsweise möglich mit Gestagenen, die entweder als Salbe direkt auf die Brust aufgetragen oder
als Tabletten beziehungsweise vaginal verabreicht werden.
Eine nebenwirkungsfreie, rein pflanzliche Alternative sind Mönchspfefferpräparate. Der Mönchspfeffer
oder Keuschlamm gehört zu den Eisenkrautgewächsen und stammt aus dem Mittelmeerraum und Zentralasien.
Extrakte seiner getrockneten Früchte werden wegen ihrer gestagenartigen und hormonregulierenden
Wirkung beim prämenstruellen Syndrom verordnet, also bei jenem Symptombündel von Beschwerden, die
vor der Monatsblutung auftreten können und zu denen auch die schmerzhafte Schwellung der Brust gehört.
Last not least können Frauen mit Mastopathie versuchen, über die Ernährung auf ihre Beschwerden
Einfluss zu nehmen. Kleine-Gunk: »Man sollte versuchen, Fette und Zucker zu vermeiden, sich relativ
leicht, salzarm und ballaststoffreich ernähren, mal einen Reistag einlegen und viel Tee trinken, was
ja auch ein bisschen ausschwemmt«. Was entwässert, wirkt sich auch günstig auf die geschwollene
Brust aus, nicht nur Reis, Ananas und Spargelessen, sondern auch bestimmte körperliche Aktivitäten,
etwa das Schwimmen im Mineral-Thermalbad. Einzelne Frauenärzte raten ihren Patientinnen überdies,
prophylaktisch auf Kaffee, Schokolade und Käse zu verzichten. Diese Produkte enthalten die Purinbase
Xanthin, die in Verdacht steht, Mastopathien ungünstig zu beeinflussen.
In der Brustkrebsprophylaxe hat die Ernährungswissenschaft neuerdings eine Substanz entdeckt, die
auch Patientinnen mit Mastopathie Erleichterung bringen könnte: Phytoöstrogene. Man versteht
darunter eine weitgehend unerforschte Gruppe von pflanzlichen sogenannten Mikronährstoffen, die dem
Östrogen ähnlich sind und die Wirkung der körpereigenen Östrogene abblocken. Enthalten sind diese
Phytoöstrogene zum Beispiel in Sojaprodukten wie Sojafleisch, Sojamehl oder Tofu. Wissenschaftler
erklären die Beobachtung, dass Japanerinnen fünfmal seltener an Brustkrebs erkranken als
Europäerinnen, mit der extrem fettarmen japanischen Küche, die als Grundnahrungsmittel Soja
verwendet, ein Produkt das »zu den vielversprechendesten Krebs vorbeugenden Substanzen gehört«,
schreibt Bernd Kleine-Gunk in seinem Buch »Brustkrebs vorbeugen: So vermindern Sie Ihr Risiko« (s.u.).
Fettarme Kost empfehlen übrigens auch Forscher des kanadischen Mount Sinai Hospitals in Toronto.
Sie vermuten, dass Spannungsgefühle und Schmerzen vor der Regel auf eine zu fette Ernährung
zurückzuführen sind. In einer Studie haben sie festgestellt, dass Frauen mit Mastopathie kurz vor
der Periode oft einen erhöhten Cholesterinspiegel haben; durch eine fettarme Diät hätten sich ihre
Beschwerden gebessert.
Bernd Kleine-Gunk zeigt in seinem Buch auf, wie sich durch gezielte und bewusste Ernährung der
Östrogenspiegel im Brustdrüsengewebe senken lässt. Er stellt ein spezielles Ernährungsprogramm zur
Krebsprävention vor und gibt im bebilderten Rezeptteil Anregungen für einen abwechslungsreichen Speiseplan.
Literaturempfehlung zum Thema:
»Brustkrebs vorbeugen: So vermindern Sie Ihr Risiko« Trias Verlag Stuttgart, 1999, 29,90 Mark
(mit großem Kochrezeptteil)
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