Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Der folgende Artikel wurde am 29.9.1998 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht
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Warum Honig für Säuglinge nicht geeignet ist
Bakterien im Honig können schwere Vergiftungen bei Säuglingen auslösen / Zucker in jeder
Form als Brennstoff in diesem Alter entbehrlich
Wissenschaftler warnen dringend davor, die Nahrung von Babys mit Honig zu süßen. 1998 hatte bei
einem Säugling aus dem Berliner Umland honiggesüßter Tee lebensbedrohliche Vergiftungserscheinungen
hervorgerufen. Warum kann ausgerechnet naturreiner Honig Babys schwer schädigen?
von Maja Langsdorff
»Bei Bienenhonig handelt es sich um ein rohes, tierisches Lebensmittel, das wird oft allzu leicht
vergessen«, sagt Edgar Muschketat, Pressesprecher der Berliner Forschungseinrichtung Robert-Koch-Institut.
»Rohe tierische Lebensmittel sind häufig mit Erregern von Infektionskrankheiten belastet, man denke
nur an Trichinen, Kolibakterien oder Salmonellen - und Honig gehört eben auch in diese Reihe als
tierisches Nahrungsmittel«.
Honig kann mit einem Sporen bildenden Bakterium verunreinigt sein,
dem Clostridium botulinum. Gelangen diese Erreger zum Beispiel mit einem selbst zubereiteten, honiggesüßten
Brei oder Tee in den Körper eines Säuglings, finden sie in der noch instabilen Darmflora des Babys
Verhältnisse vor, die ihnen erlauben, sich zu vermehren. Die Clostridien besiedeln den Darm, keimen aus
und schütten Gifte aus, die auf die Nerven wirken und schwere Muskellähmungen auslösen können. Bei dem
Berliner Säugling hatten sich seinerzeit die Lähmungen mit einer akuten Trinkschwäche angekündigt:
ein Zeichen für eine beginnende Lähmung der Schluckmuskulatur. Dazu können u.a. Verstopfung, die
Lähmung der Augenmuskulatur und allgemeine Schwäche kommen.
Die Krankheit, an der Babies erkranken können, ist eine sehr seltene Form von
Lebensmittelvergiftung, nämlich Säuglingsbotulismus; der klassische Botulismus ist eine schwere
Lebensmittelvergiftung. Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung und Lähmungserscheinungen, die
sich beispielsweise in Doppelsehen äußern. Hervorgerufen wird die Vergiftung zum Beispiel durch den Genuss
von verdorbenen Fischkonserven, also durch Nahrung, in der sich bereits Gifte gebildet haben. Da
Sauerstoff das Auskeimen der Erreger nicht zulässt, vermehren sich die Sporen gerade in luftdichten,
verunreinigten Dosen, Konserven und Eingemachtem besonders gut - man kann das unter Umständen am
Geruch oder am gewölbten Deckel erkennen.
Anders als Säuglinge sind ältere Kinder und Erwachsene aber durch ihre stabile Darmflora davor
geschützt, dass sich Sporen bildende Clostridien in ihrem Darm ansiedeln. Gefährlich können ihnen
nur die Gifte werden, die die Clostridien beim Auskeimen im Lebensmittel erzeugt haben. Bei Kindern
im ersten Lebensjahr dagegen reicht für eine Gefährdung schon eine geringe Aufnahme der Erreger
selbst aus, da diese in ihrem Darm zu keimen beginnen können.
Säuglingsbotulismus ist in Deutschland sehr selten - in den letzten drei Jahren wurden nur drei
Fälle bekannt. Der klassische Botulismus tritt ist häufiger auf, ist aber dennoch eine seltene
Erkrankung. 1997 wurden in Deutschland neun Fälle registriert, bis Mitte August 1998 wurden bereits
18 Fälle gemeldet. Diesen Anstieg führt Muschketat auf den Trend zurück, dass die Ärzte bei
Magen-Darmerkrankungen häufiger Stuhlproben untersuchen lassen und deshalb Botulismus
häufiger aktenkundig wird.
In den USA gilt Säuglingsbotulismus als häufigste Form des Botulismus - er ist dort zehnfach häufiger
als in Mitteleuropa. Die Wissenschaft hat dafür noch keine Erklärung. Ein Auslöser der Erkrankung
ist auf jeden Fall Honig; auch Ahornsirup gefährdet Babys, da erst ein Abkochen die
widerstandsfähigen Botulismuserreger abtöten kann.
Eltern, die glauben, sie müssten ihren Kleinkindern mit Honig Gutes tun, gehen ein unnötiges Risiko
ein. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung weist darauf hin, dass Säuglinge Zucker in jeder
Form, auch in Form von Honig, nicht als Brennstoff benötigen. Die Liebe zum süßen Geschmack wird
ihnen von den wohlmeinenden Eltern geradezu anerzogen. Süßes schmeckt ihnen erst, wenn sie es
kennen gelernt haben. Das aber sollte auch im Interesse gesunder Zähne möglichst spät sein.
Edgar Muschketat stellt klar, dass die Gefahr nur vom »reinen« Honig oder Ahornsirup
droht, nicht von Kinderbreis und Kindersäften, die im Supermarkt angeboten werden. Diese
Nahrungsmittel werden ausreichend erhitzt. »Es ist immer Bienenhonig im Spiel gewesen bei
den wenigen bekannt gewordenen Fällen«, sagt Muschketat und appelliert eindringlich an die
Mütter, ihren Kindern im ersten Lebensjahr keinen Honig zu geben.
Adressen:
Robert Koch Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin, Tel. +49 (0) 1888 754-0, Fax. +49 (0) 1888 754-2328
Interessante Links zum Thema:
http://www.kinderklinik-buch.de/Botulismus/Botulismus.html (Merkblatt zum Thema)
http://kind.qualimedic.de/Honig_saeuglingsbotulismus.html
http://www.fke-do.de/faq/faqhonig.html
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