Ballett - und dann?
|
© Gundel Kilian |
Vorwort von Fritz Höver, Noverre Gesellschaft Stuttgart Die Regel ist, dass Tänzer, die ihre Karriere beenden müssen, in die Anonymität abtauchen. Zahllose Namen gehen mir da durch den Kopf, und Antworten auf Fragen nach den »nicht mehr Vorhandenen« sind meist diffus, um nicht zu sagen mysteriös. Man hört dann: »Aber die ist doch nach Prag gegangen«, oder: »Soviel ich weiß, hat der jetzt ein Engagement in …« und so weiter. Wenn man dann nachforscht, stellt sich heraus, dass sie weder in Prag, noch dass er in »Sonstwo« ist. Sie sind einfach verschwunden. Alles deutet darauf hin, dass sie selbst nicht mehr so recht wollen, dass man an ihrem, jetzt etwas holperig gewordenen Lebensweg, teilnimmt. Manche verwischen ihre Spuren auf das Raffinierteste - und ich kenne eine Menge Tänzer, die da nicht ungeschickt vorgehen. Andere wieder hauen einfach die Kontaktbremse rein, und schon hat man seine Ruhe, braucht keine peinlichen Auskünfte zu geben. Denn wirklich gut geht es keinem, der seinen innigst geliebten Beruf aufgeben muss. Darüber spricht man nicht gerne. Diese Niederlage allein tut schon weh genug. |
Warum soll man es zulassen, dass andere da noch in der Wunde herumbohren können? Mein Verständnis für diese Haltung ist nahezu grenzenlos. Ich sehe ein, dass der Blick jetzt nach vorne gerichtet zu sein hat und nicht in der schmerzenden Vergangenheit herumirren sollte. Niemand weiß besser als die Betroffenen selbst, wie hart der neue Weg ist, den zu gehen sie sich vorgenommen haben, und wie sehr sie die vor ihnen liegende Zukunft drückt. Und trotzdem berauben sie sich einer einmaligen Chance: Jetzt wäre die Gelegenheit, ihren ehemaligen Kollegen ein Beispiel zu geben, wie man »aussteigt« und wie man sein Leben neu ordnet. Wie erwähnt: Mein Verständnis für diese Zurückhaltung ist groß, aber die Möglichkeit, eine wichtige Vorbildfunktion wahrgenommen zu haben, ist verpasst. Hier kommt Maja Langsdorffs Recherche gerade zum richtigen Zeitpunkt. Sie setzt genau an dem Punkt an, über den bisher nur spärlich Veröffentlichungen zu finden waren. Sie hat es mit leidenschaftlicher Forschungsarbeit geschafft, einige dieser »Aussteiger«, dieser Vorbilder, zu beleuchten und zum Leuchten zu bringen. Ich habe lange auf so ein Buch gewartet. Wir sind in der Vergangenheit immer nur über Einzelschicksale informiert gewesen, und da meist über Prominente, die ohnehin immer einen Weg oder Übergang aus dem Beruf in die Alterslosigkeit gefunden haben. Auch das sind leuchtende Vorbilder, die alle einen Namen hatten und ihn sich erhalten haben, in neuer oder veränderter Tätigkeit - die Stars, die auch im Alter noch Stars geblieben sind. Es geht in diesem Buch jedoch meist um die noch nicht so Bekannten, denen die Autorin ein Forum geschaffen hat. Sie macht all jenen Tänzerinnen und Tänzern Mut, die sich bisher nur verschämt mit dem Gedanken beschäftigt haben: »Was mache ich eigentlich danach?« |