Artikelarchiv von Maja Langsdorff
Die folgenden Artikel wurden am 19.10.1999 in der »Stuttgarter Zeitung« veröffentlicht
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Mit dem Kaltlichtlaser gegen Kurzsichtigkeit
Je geringer die Kurzsichtigkeit, desto größer die Chance, die Fernbrille loszuwerden / Spätere Lesebrille nicht ausgeschlossen
Ein schmerzfreier Eingriff von zwanzig oder dreißig Sekunden, und dann ein Leben ohne
Brille oder Kontaktlinsen? Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Doch die
Korrektur von Fehlsichtigkeiten mit Lasertechnik ist eine Alternative, die wissenschaftlich
längst anerkannt ist.
von Maja Langsdorff
In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die verhältnismäßig junge medizinische Methode der
Laserchirurgie rasant entwickelt. Augenärzte nutzen den Laser schon seit längerem, u.a. bei
der Behandlung von Rissen und Durchblutungsstörungen der Netzhaut. Seit Ende der achtziger
Jahre wird die Lasertechnik auch zur Korrektur von Sehfehlern wie Kurz-, Weit- oder
Stabsichtigkeit eingesetzt - als ein chirurgisches Verfahren, das seit 1995 auch von der
als streng geltenden amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) anerkannt wird.
Gearbeitet wird dabei mit einem sogenannten Excimer-Laser, einem Kaltlichtlaser, der photochemisch
und punktgenau arbeitet und nicht das umgebende Gewebe zerstört. In den letzten zehn Jahren
sind etwa 500.000 Menschen in Deutschland mit dem Excimer-Laser behandelt worden. Experten
schätzen, dass weltweit jedes Jahr eine Million Menschen mit dem Laser von ihrer
Fehlsichtigkeit befreit werden.
90 bis 96 Prozent der so behandelten Patienten können nach dem Eingriff ganz auf eine Brille
oder Kontaktlinsen verzichten. Bei einem Großteil der restlichen Patienten tritt der Erfolg
- scharfes Sehen ohne Brille - nach einer Nachkorrektur ein. Nur bei zwei von hundert
Patienten ist »damit zu rechnen, dass diese im Alltag weiterhin auf eine Brille oder
Kontaktlinsen angewiesen sind, dann allerdings nicht mehr in der ursprünglichen
Stärke«, weiß man bei der Bad Mergentheimer Augen-Laserklinik. Auch Komplikationen
kommen sehr selten vor. Wenn also die Brille drückt und Kontaktlinsen nicht vertragen werden,
ist dann die Lasertherapie die nahezu ideale Technik der Wahl? Unter Umständen ja, und mit
gewissen Einschränkungen.
Nicht in Frage kommt die Laserkorrektur nämlich bei Patienten mit grauem oder grünem Star,
bei Zuckerkranken, wenn Netzhautveränderungen und Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes vorliegen
und bei Jugendlichen unter 20 Jahren, außerdem bei Patienten mit Herzschrittmacher. Ist eine
Operation möglich, hängt die Chance, später dauerhaft ohne Brille und Kontaktlinse
auszukommen, entscheidend davon ab, wie stark - oder vielmehr wie schwach - die Fehlsichtigkeit
ausgeprägt ist. »Je geringer die Fehlsichtigkeit, desto höher die Erfolgsaussicht«,
resümiert der Augenarzt Zoltan Simon, der mit dem Stuttgarter Laserzentrum VisuMed kooperiert,
wo jedes Jahr tausend Operationen dieser Art durchgeführt werden.
Lasertechniken können zur Behebung unterschiedlicher Sehfehler eingesetzt werden, werden
vorzugsweise aber zur Korrektur von Kurzsichtigkeit angewandt, und dies ist in einer Hinsicht nicht
unproblematisch. So verlockend für den Kurzsichtigen die Aussicht auf ein Leben ohne Fernbrille
oder Kontaktlinsen ist, hat sie doch eine Auswirkung, die man vor der Operation bedenken sollte: »Man
muss damit rechnen, ab etwa dem 40. Lebensjahr eine Lesebrille zu brauchen«, gibt Klaus Blassmann,
Chefarzt der Charlottenklinik für Augenkranke in Stuttgart zu bedenken. Das spricht für ihn
persönlich gegen die laserchirurgische Korrektur der geringen Kurzsichtigkeit. Alterssichtigkeit
- die Schwierigkeit mit den zu kurzen Armen - bereitet Kurzsichtigen normalerweise keine
Probleme. Sie können auch ohne Brille in der Nähe gut sehen. Ein Kurzsichtiger aber, der
durch die Lasertherapie wieder normalsichtig wurde, wird später, wie jeder andere Normalsichtige
auch, nicht ohne Lesebrille auskommen.
Jede/r Zweite sieht schlecht, die meisten Betroffenen sind kurzsichtig, sehen also in die Ferne unscharf.
Beim gesunden Auge werden die einfallenden Lichtstrahlen durch Hornhaut und Linse so gebrochen, dass sie
sich exakt auf der Netzhaut treffen und wie auf einer Leinwand eine scharfe Abbildung entsteht. Beim
kurzsichtigen Auge ist der Augapfel zu lang, so dass die Schärfeebene schon vor der Netzhaut
liegt.
Bei der Laserbehandlung der Kurzsichtigkeit wird nun im Zentrum der Hornhaut eine hauchdünne Schicht
der Hornhaut abgetragen bzw. abgeschliffen. Dies verändert die Brechkraft der Hornhaut im Idealfall
so, dass sich später die Lichtstrahlen auf der Netzhaut wieder vereinigen und die Fehlsichtigkeit
korrigiert wird. Die Operation bei örtlicher Betäubung ist blitzschnell überstanden:
»Man rechnet pro Dioptrie etwa zehn Sekunden«, sagt Zoltan Simon. Bis zu 24 Stunden danach
verspüren 60 bis 70 Prozent der Patienten im Auge ein Fremdkörpergefühl, zum Teil auch
ein Brennen; nach etwa 14 Tagen ist die Sehschärfe schon befriedigend, nach etwa drei Monaten der
Heilprozess abgeschlossen. Geeignet ist diese Methode, die Photorefraktive Keratektomie (PRK) oder
Laserkeratomileusis, nur bei niedriger und mittlerer Kurzsichtigkeit, etwa zwischen minus einer und
minus sieben Dioptrien.
Bei stärkerer Kurzsichtigkeit bis zu minus 16 oder 18 Dioptrien steht seit 1990 ein anderes Verfahren
zur Verfügung, die »Laser in situ-Keratomileusis«, kurz LASIK. Dabei wird ein
dünnes Scheibchen der Hornhaut wie ein Deckel nach oben geklappt, um an das Innere der Hornhaut
zu gelangen und es mit dem Excimer-Laser zu schleifen. Hier haben die Patienten unmittelbar nach der
Operation keine Schmerzen. Walter Göttinger, Universitätsprofessor der Innsbrucker Augenklinik,
führt zwar selbst auf Wunsch von Patienten Operationen zur Behebung von Kurzsichtigkeit durch, macht
aus seiner Skepsis aber keinen Hehl: »Keratomileusis heißt wörtlich Hornhautschnitzelei,
und das sagt eigentlich alles. Selbst die Erfinder der Methode geben die Fehlerquote mit mehr als 11 Prozent
an!«, wird er auf einer Internet-Seite der
österreichischen Fachoptiker zum Thema zitiert.
Fakt ist, dass die Risiken mit der Höhe der Fehlsichtigkeit steigen, dass bei stärkerer
Kurzsichtigkeit die Ergebnisse ungenauer werden, dass es ab einer Kurzsichtigkeit von minus sechs Dioptrien
vermehrt zu Narbenbildung kommt und die Stabilität der Hornhaut zu wünschen übrig lässt.
Bei der LASIK-Methode »ist schon die ganze Chirurgie das Risiko - dass das Läppchen nicht
abgeschnitten wird, dass es gleichmäßig abgetragen wird, dass es dann auch hinterher im
Wundbett bleibt«, sagt Klaus Blassmann, »während bei der PRK die gute Zentrierung
und die Narbenbildung das Risiko darstellen«. Zu den sehr seltenen, aber möglichen
Komplikationen gehört auch eine vorübergehende oder anhaltende Hornhauttrübung und
eine irreguläre Stabsichtigkeit.
Am günstigsten sind die Prognosen genau bei denjenigen, die eigentlich die geringsten Probleme mit
ihrer Kurzsichtigkeit haben dürften. Und tatsächlich lassen sich nach Blassmanns Beobachtungen
besonders häufig Patienten um die Dreißig mit einer Sehschwäche von minus zwei bis minus
vier Dioptrien operieren. Es sind keineswegs immer Unverträglichkeiten oder medizinische Gründe,
die beim einzelnen für eine Lasertherapie sprechen. In manchen Berufen führt die Korrektur der
Fehlsichtigkeit mit konventionellen Mitteln zu Beeinträchtigungen - etwa bei Berufskraftfahrern,
Piloten, Polizisten, Schauspielern und Sportlern. Nicht selten sind auch Freizeitaktivitäten der
Grund für die Laserbehandlung, so etwa beim Tauchsport, Segelfliegen, Paragliden, Bergsteigen -
hier stören Brille und Kontaktlinsen und sind nicht oder nur bedingt einsetzbar. Oft aber hat die
Entscheidung eine viel banalere Grundlage. Im Osnabrücker Augenzentrum Westerberg gibt man
unumwunden zu: »Die meisten Patienten lassen sich deswegen lasern, weil sie sich einfach ein Leben
ohne Brille oder Kontaktlinse wünschen«.
Solche Patienten über das Risiko der späteren Alterssichtigkeit aufzuklären, hält
Blassmann zwar für sehr wichtig, aber er meint auch ganz undogmatisch: »Wenn sie sagen,
ich empfinde das als Verbesserung meiner Lebensqualität und das ist mir das Risiko wert, dann
respektiere ich ihre Entscheidung«.
Interessante Links zum Thema:
http://www.visumed.de
http://www.augendoktor.de
http://www.optiker.at
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